Natürliche Moore speichern viel Kohlenstoff im Torf. Wenn sie für die Forst- und Landwirtschaft entwässert werden, wird der gespeicherte Kohlenstoff in Form von klimaschädlichen Gasen freigesetzt. Ein großes Problem, mit dem sich Prof. Dr. rer. nat. Joachim Schrautzer beschäftigt. Er lehrt seit 2001 an der CAU und leitet die Abteilung Angewandte Ökologie des Institutes für Ökosystemforschung.
Interview: Rebecca Klant
26. Januar 2021
klik 2030: Herr Prof. Schrautzer, in Deutschland werden über 60 Prozent der Moorflächen landwirtschaftlich genutzt. Wie problematisch ist das für unser Klima?
Prof. Dr. Joachim Schrautzer: Die aktuell genutzten Moore machen etwa fünf Prozent an den gesamten Treibhausgasemissionen Deutschlands aus. Allein in Schleswig-Holstein gibt es rund
130.000 Hektar Moorfläche – das sind immerhin fast zehn Prozent der Landesfläche. Der Großteil davon wird heute intensiv landwirtschaftlich genutzt und die Böden dadurch stark entwässert. Bei unseren
Waldmooren sieht es ähnlich aus.
klik: Und wie wirkt sich das auf die CO2-Bilanz für Schleswig-Holstein aus?
Prof. Schrautzer: Trockengelegte Moore in Schleswig-Holstein stoßen jedes Jahr 2,8 Millionen Tonnen CO2 aus. Somit sind sie für neun Prozent der jährlichen
Gesamtemissionen unseres Bundeslandes verantwortlich.
klik: Das klingt nach gewaltigen Mengen. Was tun Sie dagegen?
Prof. Schrautzer: Wir arbeiten an sechs Forschungsprojekten zu Biodiversitäts-, Gewässer-, Wald- und Klimaschutz. Ich analysiere vor allem die Funktion von Mooren im
Landschaftshaushalt. Außerdem bin ich am Projekt MoorFutures beteiligt.
klik: MoorFutures sind käufliche Zertifikate, um CO2-Emissionen auszugleichen. Wie funktioniert das, wenn Moore CO2 abgeben?
Prof. Schrautzer: Mit dem Ziel des Klimaschutzes, werden über das Projekt Moorfutures, Moore in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg dauerhaft wieder vernässt.
So können der Ausstoß von CO2 gestoppt und Kohlenstoff langfristig in den Moorböden gespeichert werden. Unternehmen aber auch Privatperson können sich freiwillig an dieser Vernässung
beteiligen und bekommen ein Zertifikat über die dadurch eingesparten CO2-Äquivalente (CO2e). Durch die Einnahmen wird das Projekt, vom Ankauf der Moorflächen bis hin zur
technischen Umsetzung, refinanziert.
klik: Was genau ist Ihre Aufgabe bei MoorFutures?
Prof. Schrautzer: Zu meinen Aufgaben dort gehören das Monitoring und die Zertifizierung auf regionaler Ebene. Zuerst führe ich vegetationskundliche und bodenkundliche Untersuchungen
durch, auf deren Grundlage dann die Einsparpotenziale für klimaschädigende Treibhausemissionen berechnet werden.
Für die Treibhausgasbilanz stellen wir zwei Werte gegenüber. Auf der einen Seite stehen die CO2 -Freisetzung und die Speicherprozesse, auf der anderen Seite die potenziellen
Methanemissionen. Das Ergebnis ist ein sogenanntes „Global Warming Potential” (GWP). Die Berechnungen sollen immer Nebeneffekte mit einbeziehen und möglichst konservativ sein. Das
Einsparungspotenzial wird deshalb für Zeitabschnitte von 50 Jahren hochgerechnet. Das ist wichtig, denn die gewünschten Effekte werden sich im wiedervernässten Ökosystem Moor voraussichtlich erst im
Laufe der Zeit einstellen. Anschließend wird eine mittel- und langfristige Erfolgskontrolle durchgeführt, um den Einspareffekt zu überprüfen.
In Schleswig-Holstein arbeiten wir derzeit am Königsmoor. Demnächst sollen noch weitere Moore hinzukommen.
klik: Vor allem die landwirtschaftliche Nutzung scheint für Moore problematisch zu sein. Sehen Sie da eine Perspektive, um den Naturschutz zu integrieren?
Prof. Schrautzer: Die landwirtschaftliche Nutzung der Moorflächen muss naturverträglicher betrieben werden. Ansonsten geraten wir schnell in einen Teufelskreis der Entwässerung. Das
heißt, die Moore sacken immer weiter ab und die Torfe gehen möglicherweise komplett verloren. Die weitere landwirtschaftliche Nutzung ist dann unmöglich.
Zu diesem Thema arbeite ich zurzeit an einem großen Projekt in Schleswig-Holstein. Wir untersuchen die aktuell gespeicherte Kohlenstoffmenge in landwirtschaftlich genutzten Mooren und die mögliche
Freisetzung an Kohlenstoff, wenn die Flächen weiter intensiv genutzt werden. In Kooperation mit anderen Institutionen, wie beispielsweise der Humboldt-Universität in Berlin und dem Thünen-Institut in
Braunschweig, definieren wir die Vulnerabilität der Flächen und erarbeiten Lösungsansätze. Übergeordnetes Ziel dabei ist, Moorschutz und mit einer nachhaltigen, schonenden Nutzung in Einklang zu
bringen.
klik: Nun gibt es aus Mecklenburg-Vorpommern das Projekt MoorFutures das auch in Schleswig-Holstein wirkt. Gibt es auch von der Landesregierung in Schleswig-Holstein eine Initiative
für den Moorschutz?
Prof. Schrautzer: Damit sich in Schleswig-Holstein wieder klimaneutrale Moore entwickeln können, bedarf es erheblicher Anstrengungen. Mit der Ankündigung eines Landesprogramms zum
biologischen Klimaschutz geht unsere Landesregierung einen wichtigen Schritt und integriert ab dem nächsten Jahr ein erhebliches Budget für den langfristigen Moorschutz in den Landesetat. Unter
anderem sollen dadurch bis 2030 jährlich eine Million Tonnen CO2e eingespart werden.
klik: Das Wiedervernässen von Mooren ist ein schönes Beispiel für regionalen Klimaschutz. Glauben Sie, dass Hochschulen bei regionalen Klimaschutzthemen gut aufgestellt sind?
Prof. Schrautzer: Der biologische Klimaschutz leistet einen immens wichtigen Beitrag zur Reduzierung der CO2-Emissionen und zum Erhalt der Kohlenstoffvorräte. Vor diesem
Hintergrund sollten Universitäten den Zusammenhang von Mooren und Klima stärker als bisher erforschen. Dazu muss es auch an der CAU einen Paradigmenwechsel geben. Klimaschutz sollte Priorität sein.
Schließlich werden Umweltthemen auch in der Gesellschaft immer stärker diskutiert. Wir haben in den Umweltwissenschaften an der CAU hervorragende und international bekannte Wissenschaftler:innen.
Neben der Grundlagenforschung müssen wir uns aber auch darum kümmern, dass unser Wissen bei den Entscheidungsträger:innen auch vor Ort ankommt. Dieser sogenannte Wissenstransfer ist ein
entscheidendes Thema in unserer Forschung. Er ist wichtig, weil wir ansonsten keine große Wirkung für den Klimaschutz erzielen können. Aus meiner Sicht müssen wir daran an der CAU noch
arbeiten.
klik: Moore können auch Orte der Ruhe und Erholung sein. Haben Sie zum Abschluss für uns noch einen Ausflugstipp?
Prof. Schrautzer: Das Dosenmoor bei Neumünster ist in jedem Fall einen Ausflug wert. Es ist nicht nur das größte Hochmoor im östlichen Landesteil Schleswig-Holsteins, sondern hat
auch landschaftlich einiges zu bieten. Größere Moorteilbereiche wurden aktuell aufwändig renaturiert und vernässt. Zusätzlich gibt es einen kleinen Lehrpfad.
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